Dark UX Patterns – Die dunkle Seite der Macht
Haben Sie schon mal versehentlich etwas im Internet gekauft oder abgeschlossen, ohne es wirklich zu bemerken? Wollten Sie einen Newsletter abbestellen oder ein Kundenkonto löschen und es war sehr viel schwerer, als den Newsletter zu abonnieren bzw. das Konto zu eröffnen? Dann haben Sie bereits Bekanntschaft mit Dark Patterns gemacht.
Dark Patterns stellen die (zumeist wirtschaftlichen) Interessen des Unternehmens über die des Nutzers und sollen den Nutzer dazu bringen, etwas zu tun, das er so nicht wollte. Hierfür werden verschiedene Techniken angewandt, die mehr oder weniger plump dafür sorgen, dass wichtige Informationen nicht wahrgenommen und daher versehentlich falsche Entscheidungen getroffen werden.
Wir stellen Ihnen in diesem Artikel einige der gängigsten Tricks vor und zeigen Ihnen anhand von konkreten Beispielen, wie sie zum Einsatz kommen.
1. Kundenentscheidungen sabotieren
Come in and never find out: Der Klassiker unter den Dark Patterns ist das Erschweren von Kundenentscheidungen, die dem Unternehmen nicht gefallen. Sie wollen unseren Newsletter nicht mehr haben? Sie wollen Ihr Kundenkonto löschen? Versuchen Sie es doch!
Man muss sich nur noch das teuflische Lachen dazu vorstellen.
Ein Beispiel dafür ist der Newsletter von Adobe. Hier ist der Link zum Abbestellen immerhin noch unterstrichen und damit als Link erkennbar, aber er muss in der Flut an Text im Footer des Newsletters auch erst einmal gefunden werden. Der Hinweis auf den per Post einzuschickenden Abmeldeantrag verunsichert zusätzlich.
Nach dem Klick landet man auf einer Website, auf der man den Newsletter zwar abbestellen kann, aber “BITTE BEACHTEN”: Man erhält trotzdem weiterhin Marketingmails. Wenn man das Kleingedruckte nicht sieht und dem nicht explizit widerspricht, flattern trotzdem weiter Adobe-Mails ins Postfach.
Noch schwieriger ist es häufig, ein Kundenkonto komplett zu löschen. Haben Sie es schon mal mit Ihrem Amazon-Konto versucht? Wer intuitiv in den Konto-Einstellungen sucht, wird enttäuscht: Hier gibt es diese Möglichkeit nicht.
In den Untiefen des Hilfebereichs stößt man schließlich auf „Kontoschließungen und Datenlöschung anfordern“ – eine selbstständige Löschung ist also nicht möglich.
2. Psychologische Manipulation
Schämen Sie sich: Hier geht es nicht um einen Layouttrick oder optische Täuschungen, sondern schlicht um die menschliche Psyche. Wir alle wollen gefallen und gut mit unseren Mitmenschen auskommen. Und genau das macht sich das Dark Pattern des schlechten Gewissens zunutze.
Ein Beispiel sind die Cookie-Einstellungen des Mailanbieters web.de. Cookies sind generell schon ein weites Feld der Dark Patterns, vor allem Beispiele von versteckten Informationen sind hier häufig anzutreffen. In diesem Beispiel geht es aber um etwas anderes. Zunächst freut man sich als Nutzer, dass nur die wirklich notwendigen Cookies vorausgewählt sind und man fast problemlos weitermachen kann (daran, dass der große gelbe Button alle Cookies akzeptiert und man nach der grauen, unauffälligen Option suchen muss, hat man sich ja schon gewöhnt).
Doch nach Klick auf „Auswahl bestätigen und weiter“ kommt man leider nicht zur gewünschten Website: Stattdessen öffnet sich ein neues Fenster, das es in sich hat. In einer sehr emotionalen Ansprache will web.de noch einmal sicher gehen, dass man wirklich nicht mithelfen will, mit der Sammlung persönlicher Daten zu einer Verbesserung des Angebots für alle mitzuwirken. Für den Fall, dass Nutzer auf die emotionale Erpressung nicht anspringen, wird zur Sicherheit noch angedroht, bei fehlender Kooperation mehr Werbung angezeigt zu bekommen.
3. Unliebsame Funktionen verstecken
Was der Nutzer nicht weiß, macht ihn nicht heiß: Ein Dark Pattern, das teils schon in absichtliche Täuschung übergeht, ist das Verstecken von wesentlichen Informationen oder Funktionen. Ein bekanntes Beispiel, über das wir alle wahrscheinlich schon gestolpert sind, ist der im Bestellprozess automatisch angehakte Newsletter. Hier muss der Nutzer den Haken explizit entfernen, wenn er den Newsletter nicht abonnieren will.
Auch dieses Pattern ist bei Cookie-Einstellungen allgegenwärtig: Es wird den Nutzern immer wieder unnötig schwer gemacht, zu erkennen, was genau er da zustimmt. Noch problematischer ist es allerdings, die Zustimmung einfach vorauszusetzen. Auf der Website von H&M weist ein kleines Fenster darauf hin, dass Cookies eingesetzt werden und man diese “deaktivieren” kann.
Wird der Link geklickt, erscheint die Information, dass man mit Nutzung der Website automatisch der Verwendung von Cookies zustimmt. Von einer Möglichkeit, die Verwendung zu deaktivieren, ist hier allerdings nichts zu sehen.
4. Etablierte Gestaltgesetze umkehren
Macht der Gewohnheit: Im Internet haben sich über die Jahre und teilweise Jahrzehnte bestimmte Formen der Darstellung durchgesetzt (Best Practices). Diese werden fast durchgehend auf allen Websites verwendet, um eine bestimmte Sache zu verdeutlichen und sind deshalb für Nutzer intuitiv verständlich. Solche Best Practices sind z. B.: Große, eindeutig eingefärbte Buttons, sogenannt Call-to-Action-Elemente, führen zum nächsten sinnvollen Schritt; grün bedeutet „Alles ist ok“ und rot „Achtung“; Pflichtfelder sind mit einem Sternchen gekennzeichnet.
Ein Dark Pattern ist, dieses Wissen und die damit einhergehenden Gewohnheit der Nutzer auszunutzen. In unserem Beispiel von enercity, einem lokalen Energieanbieter, sind freiwillig auszufüllende Felder mit einem Sternchen versehen, also genau dem Symbol, das sonst Pflichtfelder kennzeichnet. Nutzer, die den kleinen Hinweis unter dem Speichern Button nicht sehen, geben an dieser Stelle also mehr Daten preis, als nötig gewesen wären, um den Prozess abzuschließen.
5. Künstliche Verknappung
Jetzt SOFORT zuschlagen: Ein besonders im E-Commerce gerne eingesetztes Dark Pattern ist das Aufbauen von Druck: „Wenn Sie nicht innerhalb der nächsten 5 Minuten zuschlagen, wird dieses Angebot für immer weg sein!“ Das Pattern baut nicht nur auf das Sparbedürfnis der Nutzer, sondern nutzt gleichzeitig aus, dass Menschen unter Druck Schwierigkeiten haben, überlegte Entscheidungen zu treffen. Wenn der Countdown läuft, bleibt nicht mehr viel Zeit zu überlegen! Es gilt, zuzuschlagen, bevor ein anderer schneller ist.
Ein Beispiel für dieses Dark Pattern haben wir auf der Website des Fluganbieters Ryanair gefunden. Hier wird der Nutzerin Susi Sonnenschein suggeriert, dass es in dieser Preiskategorie und für diesen Flug nur noch einen einzigen Sitzplatz gibt.
Wählt die Nutzerin diesen Flug jedoch aus, wird sie auf die Sitzplatzauswahl weitergeleitet und – Wie durch ein Wunder! – sind plötzlich noch sehr viele Plätze in dieser Preiskategorie vorhanden.
Die Verwendung von Dark Patterns ist nicht zu empfehlen. Ihre Kunden mögen vielleicht kurzfristig etwas tun, das Ihnen nützt, aber das beschädigte Vertrauen wiegt viel schwerer. Im schlechtesten Fall verlieren Sie Ihre Kunden mit solchen Aktionen. In Kalifornien ist die Verwendung von Dark Patterns übrigens mittlerweile verboten. Eine entsprechende Klausel wurde aktuell in die Datenschutzrichtlinien des Bundesstaates aufgenommen. Machen Sie also lieber auf positive Art und Weise klar, welche Vorteile der Nutzer durch die Angabe seiner Daten hat bzw. überzeugen Sie ihn mit wirklich tollen Produkten. Dann haben Sie solche “faulen Tricks” gar nicht nötig.