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Remote User Research: Alles anders oder Business as usual?

Keine Frage, das Coronavirus hat unsere Welt in vielerlei Hinsicht auf den Kopf gestellt. Doch gilt das eigentlich auch für User Research? Unserer Meinung nach: Nicht wirklich.

Photo by Corinne Kutz on Unsplash

 

Die Erfolgsfaktoren für gewinnbringenden UX Research sind die gleichen wie vor der Corona-Krise. Die Kernkompetenz von guten UX Researchern besteht schließlich nicht darin, ein Research-Tool korrekt zu bedienen.

Vielmehr zeichnen sie sich dadurch aus, passende Methoden auszuwählen, die richtigen Fragen an die richtige Zielgruppe zu stellen und die gewonnenen Erkenntnisse zu kommunizieren.

Bei usability.de betreuen wir seit Jahren Kunden, für die wir „Remote“ als Standard-Setting bei der Durchführung von User Research nutzen. Dank verschiedenster Screensharing-Software wird in diesen Projekten jedes Gerät zum virtuellen Testlabor: egal ob Smartphone, Tablet oder Desktop. Natürlich ist es dabei wichtig, routiniert im Umgang mit verschiedenen Remote-Tools zu sein und sicherlich können wir alle in diesen Zeiten noch viel dazulernen. Aber dennoch: Im Fokus steht nicht, ob ein Nutzer live im Usability Lab sitzt, sondern welche Usability-Probleme während der Nutzung beobachtet werden können.

Trotzdem kann ich die Unsicherheiten nachvollziehen, die aktuell gegenüber Remote User Research noch bestehen und möchte deshalb auf einige der aktuell diskutierten Bedenken und Herausforderungen eingehen:

„Mit Remote UX Research erreicht man doch nur noch eine technikaffine Zielgruppe.“

Wir leben in einer Zeit, in der Großeltern Smartphones besitzen und mit ihren Enkeln über WhatsApp und Skype kommunizieren. Aus unserer Praxiserfahrung können wir berichten, dass uns nicht nur die im klassischen Sinne technikaffinen Personen als potenzielle Teilnehmer für Remote Tests zur Verfügung stehen. Außerdem sind gerade in der aktuellen Phase sehr viele Menschen besonders offen dafür, neue technische Lösungen auszuprobieren. Wenn man im Home Office arbeitet und sich abends über Zoom mit seinem Freundeskreis trifft, ist man auch eher bereit, von zu Hause an einem Remote Usability-Test teilzunehmen.

Und es gibt auch Vorteile: So sind nun auf einmal schwierige Zielgruppen für Research-Maßnahmen erreichbar, die vorher ausgeschlossen wurden. Online ist das aber kein Problem mehr. Man kann also plötzlich situationsbedingt mehr Insights generieren.

„Es gibt so viele verschiedene Tools – welches soll man denn nehmen?“

Wie auch bei normalen Webkonferenzsystemen gibt es inwischen auch für den Remote Research eine Menge an Tools. So viele, dass ich auch oft gefragt werde: Welches Tool ist denn das Beste, welches sollen wir denn nehmen? Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Jedes Tool hat seine eigenen Stärken und Schwächen: mobil oder Desktop, nur auf Englisch verfügbar oder auch auf Deutsch, ist der Testgegenstand allgemein zugänglich oder nur über eine freigegeben IP-Adresse aufrufbar etc.

Wir haben sehr viele verschiedene Tools im Einsatz. Es kann z.B. sein, dass in einem Unternehmen nur dieses eine bestimmte Tool durch die IT freigegeben ist und in einem anderen Unternehmen ein anderes. Da ist es unsere Aufgabe, uns darauf einzustellen und die richtige Lösung auszuwählen.

Sehr wichtig ist es zu beachten, dass die technischen und organisatorischen Hürden für die Teilnehmer möglichst gering sind, sodass gute Erkennnisse generiert werden können.

„Remote-Tests am Desktop kann ich mir ja noch vorstellen, aber was ist mit mobilen Anwendungen?“

Mit dem passenden technischen Set-Up sind auch Tests auf mobilen Geräten kein Problem. Wir haben besonders gute Erfahrungen damit gemacht, wenn die Touch-Gesten auf dem Display visualisiert werden und das Gesicht des Teilnehmers über die Frontkamera des Smartphones gefilmt wird. Der Winkel mag zwar unvorteilhaft sein, aber so erhalten wir viele wertvolle Informationen über das Vorgehen und die Emotionen der Teilnehmer, sodass wir auch kleine Usability-Probleme aufdecken können.

„Die Dynamik einer Fokusgruppe ist remote nicht zu realisieren.“

Auch hier kommt zum Tragen, dass aktuell sehr viele Menschen Erfahrungen mit digitaler Zusammenarbeit und Videokonferenzen sammeln und die Situation deshalb zunehmend vertraut wird.

Wichtiger ist allerdings eine professionelle Moderation, die auf die Remote-Situation abgestimmt ist und die Vorbereitung der digitalen Kollaboration (z. B. Whiteboard, Gruppenarbeit etc.). Wenn diese Voraussetzungen beachtet werden, steht einer gelungenen Remote-Fokusgruppe nichts mehr im Weg.

„Bei Remote-Tests fehlen die persönliche Ebene und nonverbale Kommunikation (Mimik, Körpersprache etc.).“

Schon die Stimme und das Webcam-Bild verraten viel darüber, wie eine Person sich fühlt und helfen dabei, eine angenehme persönliche Atmosphäre im Remote-Test aufzubauen. Weil jedoch Elemente wie beispielsweise der Small Talk auf dem Weg zum Testraum fehlen, ist es wichtiger denn je, mit ein paar lockeren Fragen in das Gespräch zu starten. Trotzdem geben wir hier zu: Ja, der Remote-Test kann in dieser Hinsicht unterlegen sein.

Insgesamt ist Remote Research eine sinnvolle Alternative, die dem Live-Test je nach Situation und Blickwinkel gleichgestellt, überlegen oder unterlegen sein kann. In der Corona-Zeit hat sich ganz klar der Vorteil gezeigt, dass trotz aller Beschränkungen weiterhin Research stattfinden konnte. Trotzdem spreche ich für unser gesamtes Team, wenn ich sage, dass wir uns sehr auf den Tag freuen, an dem wir auch wieder Kunden und Teilnehmer in unseren Räumlichkeiten begrüßen können.

Langfristig können wir alle aus der aktuellen Situation aber insofern profitieren, als dass Remote User Research nicht nur für uns zu einer selbstverständlichen Variante von UX Research wird. Dann würde auch nicht mehr „Remote“ an erster Stelle stehen, sondern der „User“ – so wie es sein soll. ?

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