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How to – Usability-Test mit Prototypen

Unsere Empfehlung lautet immer wieder: Testen Sie so früh wie möglich. Nutzerfeedback zu einem frühen Entwurf oder einer groben Idee hilft dabei, später sehr umständliche Änderungen und Anpassungen zu vermeiden. Es gibt allerdings einige Fehler, die schon bei der Erstellung eines Prototyps negative Auswirkungen auf das Testergebnis haben können. Wir wollen unser Wissen aus 15 Jahren Prototyping weitergeben und die wichtigsten Punkte aufzählen, auf die geachtet werden sollte.

1. Erstellen Sie Prototypen für den Großteil der Nutzer, nicht den Edge Case.

Immer mal wieder sehen wir Prototypen, die nicht zum Nutzer passen. Entweder, weil sie nur den Edge Case abbilden, also die Teile der Anwendung, die höchstens 20% der Nutzer betreffen. Oder, weil nur Inhalte abgebildet sind, die nicht relevant sind für das Zielgruppensegment, welches für den Usability-Test abgesprochen wurde (z. B. Makeup, obwohl nur Männer eingeladen wurden).

Dann müssen (manchmal mehrere) Schleifen mit dem Prototyp gedreht werden, bevor er in einem Usability-Test zum Einsatz kommen kann. Dadurch geht wertvolle Zeit im Projekt verloren.

Unser Tipp: UX Researcher sollten möglichst früh in die Erstellung eines Prototyps mit einbezogen werden. Die Haupt-Use-Cases und Zielgruppe(n) des Produkts sollten gemeinsam definiert werden, damit diese dann auch realistisch im Prototyp abgebildet werden.

2. Bauen Sie keine Einbahnstraßen.

Immer wieder erhalten wir Prototypen, die praktisch nur den einen „richtigen“ Weg zulassen, also nur diesen verlinken. Das Ergebnis würde dann lauten: Alle Teilnehmer haben das Produkt xy problemlos gefunden. Aber wird es später auch so sein, wenn tausend andere Links und Navigationselemente um Aufmerksamkeit schreien und alles tatsächlich klickbar ist?

Die Teilnehmer eines Usability-Tests bemerken so etwas recht schnell. Sie begeben sich dann automatisch auf die Suche, wo der Mauszeiger zur Hand wird und finden so den korrekten Weg. Das ist dann besonders schade, wenn der Usability-Test eigentlich auch Erkenntnisse zu Navigation und Orientierung liefern sollte. Verschlimmert wird das Problem sogar noch, wenn das Hervorheben der klickbaren Elemente im Prototyp nicht deaktiviert wird und bei jedem Klick alle klickbaren Elemente aufleuchten.

Unser Tipp: Das Hotspot-Highlighting klickbarer Elemente im Prototyp sollte vor dem Usability-Test deaktiviert werden. Zudem sollte möglichst viel interaktiv sein. Natürlich liegen zu Entwicklungsbeginn noch nicht alle Inhalte vor. Dann hilft ein kleiner Trick: Alle im Endprodukt klickbaren Elemente interaktiv aussehen lassen, indem man Blindlinks hinterlegt (Veränderung des Mauszeigers, ohne tatsächliche Verlinkung).

3. Content is king.

Der Content ist oft das etwas vernachlässigte Stiefkind, wenn es um das Design oder Redesign einer Anwendung geht. Wenn der Fokus vor allem auf einem fancy Design liegt, hört man immer mal wieder: „Der Content kommt dann zum Schluss.“ Für den Nutzer einer Website ist der Content aber King. Er unterscheidet nicht zwischen dem Design einer Website und dem Inhalt. Für ihn ist das Ihre Anwendung und wenn diese keinen Content enthält, fehlt eben ein entscheidendes Stück. Daher sind Prototypen auch immer dann schwierig, wenn ihr Inhalt nur aus Platzhaltertexten besteht. Hier wird im Usability-Test auch die Chance verspielt, erstes Feedback zum Content einzuholen.

Unser Tipp: Das Content Team sollte idealerweise von Anfang an bei der Erstellung des Prototyps mit einbezogen werden. Lorem Ipsum Texte und andere Platzhalter sollten vermieden werden. Stattdessen sollte der Prototyp möglichst realistische Inhalte enthalten. Dabei geht es nicht um das finale Wording, sondern um die Chance, erstes Nutzerfeedback zum Content und seiner Platzierung einzuholen.

Produktvorstellung mit Fülltext und realen Inhalten.

Prototypische Darstellungen mit Platzhalterelementen sowie Inhalt.

4. Liefern Sie Orientierung und Kontext.

Manchmal schmeißen Prototypen den Testnutzer an irgendeine Stelle in die Anwendung hinein. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine spezielle Funktion oder ein abgegrenzter Bereich getestet werden soll. Dann befindet sich der Testteilnehmer also z. B. mitten in seinem Nutzerkonto und soll nun verstehen, in welcher Anwendung er sich befindet, dass er jetzt Michael Müller heißt und dass er bereits 50 Freunde und 3 ungelesene Nachrichten hat. Das funktioniert meistens nicht so gut, weil der Testteilnehmer nicht gut abgeholt wurde und sein Involvement dadurch oft nicht besonders hoch ist.

Unser Tipp: Auch ein Prototyp sollte immer Orientierung und Kontext liefern. Der Nutzer muss verstehen, um welche Anwendung es sich handelt und wie er an die entsprechende Stelle dieser Anwendung gekommen ist. Dies kann auf verschiedene Arten passieren, es können zum Beispiel die vorherigen Schritte mit Screenshots simuliert werden oder ein längeres Intro dem Testszenario vorangehen.

5. Nehmen Sie keine Interaktionsmöglichkeit vorweg.

Formularfelder werden in Prototypen häufig schon mit den idealen Daten vorausgefüllt. Damit wird aber die Möglichkeit verschenkt, Feedback zur Beschriftung und Beschaffenheit des Formulars und einzelner Felder einzuholen.

Unser Tipp: Um herauszufinden, ob die späteren Nutzer in der Lage sind, Formulare zu verstehen und auszufüllen (oder ob sie z. B. finden, dass zu viele private Daten abgefragt werden), sollten Formularfelder leer sein. Ideal ist es, wenn die Testteilnehmer die Formulare im Prototyp auch tatsächlich ausfüllen könnten.

Aktives digitales Input-Feld.

Durch Interaktion kann bspw. herausgefunden werden, dass viele Nutzer die Hausnummer intuitiv hinter die Straße schreiben, ohne sie in ein neues Feld einzutragen.

6. Suchen Sie nicht nach dem „perfekten“ Tool.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Prototyping-Tools. Doch die Diskussion darum nimmt häufig sehr viel Raum ein, aus unserer Sicht manchmal zu viel. Denn letztendlich ist es vor allem wichtig, dass der Prototyp eine gewisse Funktionalität aufweist, die Haupt-Uses-Cases der Anwendung abbildet und diese zur eingeladenen Zielgruppe passen (z. B. für die Zielgruppe tatsächlich relevante Produkte oder Inhalte).

Unser Tipp: Am Ende haben alle Prototyping-Tools ihre Vor- und Nachteile. Heutzutage sind aber die meisten davon in der Lage zu liefern, was man in einem Usability-Test braucht.

Hier ein Überblick über gängige Prototyping-Tools:

Wenn Sie unsere Tipps beim Prototyping beherzigen, steigern Sie automatisch die Qualität und Verlässlichkeit ihrer Testergebnisse und der darauf basierenden (Design-)Entscheidungen.

Als Full-Service-UX-Dienstleister sind wir darauf spezialisiert, benutzerfreundliche Prototypen zu konzipieren und umzusetzen. Unsere User Experience Designer unterstützen Sie gerne bei der Planung und Erstellung eines funktionalen Prototyps unterschiedlichen Detail- und Komplexitätsgrades.

Erfahren Sie hier mehr zum Thema Prototyping.
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